
Ende Mai erlebte die Klasse 9b eine ganz besondere Schulstunde: Das Theater Dortmund war mit dem Klassenzimmerstück „Der Entstörer“ zu Gast, exklusiv für die 9b, direkt in ihrem gewohnten Klassenraum und mitten im regulären Unterrichtsbetrieb während der dritten und vierten Stunde.
Die Schülerinnen und Schüler saßen wie immer an ihren Plätzen. Kein Lehrer vorne, keine Schulstunde im klassischen Sinn, stattdessen stand plötzlich ein professioneller Schauspieler vor ihnen, der den Raum übernahm und mit seinem Spiel eine intensive Theatererfahrung schuf. Eine Theaterpädagogin begleitete die Aufführung, die nicht nur räumlich, sondern auch inhaltlich nah an den Jugendlichen war.
„Der Entstörer“, geschrieben von Ursula Kohlert, erzählt von Jonas, einem jungen Mann, der sich immer tiefer in Verschwörungserzählungen verstrickt. Er glaubt, geheime Mächte hätten sich gegen ihn verschworen, und sieht sich in der Mission, andere zu „wecken“. Was zunächst noch nachvollziehbar wirkt, kippt im Verlauf des Stücks in Paranoia und Isolation. Die Schülerinnen und Schüler wurden in diese Entwicklung direkt mit einbezogen: Der Darsteller richtete sich an sie, stellte Fragen, positionierte Requisiten mitten im Raum. Auf diese Weise entstand ein starkes Gefühl von Nähe und Unmittelbarkeit.
Nach und nach wurde klar: Jonas ist keine verlässliche Figur. Die Interaktionen, sein Verhalten und seine Sprache offenbarten zunehmend Wahnhaftigkeit und eine verzerrte Weltsicht. Die Jugendlichen nahmen dies aufmerksam und reflektiert wahr.
Im Anschluss an die etwa fünfzugminütige Aufführung fand eine theaterpädagogische Nachbereitung statt. Der Schauspieler trat aus der Rolle heraus und stellte sich selbst vor. Die Klasse hatte Gelegenheit, Fragen zu stellen und über das Erlebte zu sprechen. Besonders eindrucksvoll war dabei der Kontrast zwischen der Figur Jonas und dem echten Menschen, der dahinterstand.
Obwohl einige Schülerinnen und Schüler vorab skeptisch waren – Theater im eigenen Klassenraum? – zeigten sich am Ende viele begeistert. Einige Stimmen aus der Klasse:
Taha: „Man ist richtig nah dran und es wird mit einem interagiert.“
Maxi: „Sowas habe ich bisher noch nicht erlebt, definitiv mal was anderes.“
Ilyas: „Es war spannend und interessant.“
„Der Entstörer“ thematisiert die psychologischen und gesellschaftlichen Gefahren von Verschwörungsideologien und das auf eine Weise, die Jugendliche unmittelbar erreicht. Besonders in Zeiten, in denen einfache Wahrheiten in digitalen Räumen oft lauter klingen als differenzierte Fakten, war dieses Stück ein wichtiger Impuls.
Und natürlich nicht zuletzt eine besondere Erfahrung, weil das Theater an diesem Tag nicht irgendwo stattfand, sondern dort, wo sonst der Alltag regiert: direkt im Klassenzimmer der 9b.